Andreas Zumach – nicht ohne die USA

ZumachAndreas Zumach habe ich immer bewundert, wenn ich ihm beim Presseclub oder bei ähnlichen Sendungen zuhören durfte. „Bewundert“ ist das richtige Wort, denn ein positiveres Gefühl kann man ihm kaum entgegenbringen. Er sieht so aus, als würde er andere Menschen am liebsten zum Frühstück verspeisen, und schaut so mies drein, als hätte er seit Tagen nicht gefrühstückt. Aber wie scharf sein Verstand, wie brillant seine Analysefähigkeit und wie unnachgiebig seine Anklagen, von denen niemand verschont wird! Eigentlich liege ich selten mit ihm auf einer Linie, doch jedes Mal ist es ihm gelungen, einen Zweifel bei mir einzunisten. Ich wusste, er hat mal wieder einen Punkt gesetzt – und manchmal mehr als nur einen Punkt.

In der jüngsten Ausgabe der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ (11/2016) bin ich nun auf einen neuen Beitrag von ihm gestoßen. Zumach schreibt über Syrien. Wenig überraschend – der Frieden im allgemeinen und die UN im besonderen sind ja seine Themen. Auch dieses Mal fange ich an zu zweifeln, nachdem ich die Lektüre beendet habe – doch in diesem Falle weniger an meiner eigenen Meinung als an seinen Interpretationsangeboten. Zumach ist ein unbestechlicher Beobachter. Doch auch als solcher kann man Gewohnheiten wohl nicht einfach so ablegen. Dass Zumach kein Freund der amerikanischen Außenpolitik ist, kann man gut verstehen, wenn man die letzten 15 Jahre betrachtet. Dass ihn seine – vorsichtig ausgedrückt – Amerika-Skepsis aber so weit bringt, weder den Kern eines Konfliktes noch seine zahlreichen Nebenverästelungen zu benennen, ist doch mehr als nur erstaunlich.

Die USA und Russland als Hauptverantwortliche für das Scheitern der UNO in Syrien zu betrachten, wie Zumach es tut, ist das Eine. Ganz offenbar ist es ihm ein Anliegen, die Schuld für die syrische Tragödie auf beide Schultern zu verteilen – ungeachtet dessen, dass UN-Resolutionen durch das Veto Moskaus, nicht Washingtons, verhindert werden. Einen Zug ins Surreale bekommt aber seine Forderung, Russland und die USA müssten sich auf eine Flugverbotszone einigen, so als wären es nicht russische Kampfjets, die seit Monaten das Assad-Regime mit ihrem Bombardement unterstützen (was Zumach an anderer Stelle übrigens durchaus konstatiert). Warum sind dann aber die USA in diese Forderung mit einbezogen, so als wenn es an ihnen läge, dass die syrische Luftwaffe noch immer die Rebellen bekämpft, und als müssten sie von der Flugverbotszone überzeugt werden? Und mehr noch: kein Wort zu den Motiven der russischen Pro-Assad-Politik, keine Erwähnung Irans, ohne dessen Zugeständnisse ein Friede kaum möglich ist, stattdessen die Überlegung, mit dem IS über eine Tolerierung zu verhandeln.

Zumachs Text ist gleichwohl lesenswert; kaum einer kennt die UN besser als er und vermag die Finger in die vielen Wunden der geschwächten Sicherheitsorganisation, besser gesagt: der Völkergemeinschaft zu legen. Aber eines Eindrucks kann man sich nicht erwehren: Notorische USA-Kritiker wissen nicht damit umzugehen, dass sich die Vereinigten Staaten in den letzten Jahren aus den Krisenregionen dieser Welt eher zurückgezogen und dadurch ein Vakuum hinterlassen haben, in das andere hineingestoßen sind. Diese US-Politik bietet viele Angriffsflächen, aber es sind nicht die obligatorischen Angriffsflächen. Es sind die Schwächen der USA, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, es ist längst nicht mehr ihre überbordende Stärke, (die freilich ohnehin ein Trugschloss war). Zumach möchte diese Analyse offenkundig nicht teilen. Er beharrt darauf, dass die USA ein „Hauptverantwortlicher“ sind. Vielleicht hat er ja auch damit einen Punkt. Eher aber scheint es mir, als hätte ihn seine Analysekraft hier im Stich gelassen.

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