Wer mit wem? Kein Bündnis in Sicht!

ParteienWenn man sich die Umfragewerte für die Parteien in den letzten Monaten so anschaut, muss man schon die Frage stellen, wie das eigentlich klappen soll mit der Bildung einer neuen Bundesregierung im kommenden Herbst. Fällt uns überhaupt irgendeine Farbenkonstellation ein, die eine Mehrheit bekommen könnte, wenn die Deutschen so wählen, wie sie es offenbar im ganzen letzten Jahr getan hätten, also ein Parlament mit sieben Parteien und (mindestens) sechs Fraktionen?

Schwarz-Rot? Bitte nicht!

Schwarz-Rot natürlich, lautet die nahliegende Antwort. Doch eine Regierung, die den Unmut über die etablierten Parteien unweigerlich noch weiter schüren und die Ränder stärken würde – wollen wir uns das wirklich antun? Fast alle, die darüber nachdenken, sind sich einig: Bitte keine neue große Koalition! Was aber geht sonst noch so? Rot-Rot-Grün?

Rot-Rot-Grün? Wie denn?

Lassen wir mal beiseite, dass SPD, Grüne und Linke von einer eigenen Mehrheit wohl so weit entfernt sind wie 1860 München vom Aufstieg in die Bundesliga. Unterstellen wir einfach, dass es arithmetisch doch irgendwie reichen würde. Und dann? Viel Spaß beim Ausarbeiten eines Koalitionsvertrages. Ich habe noch nicht begriffen, wie vergleichsweise prinzipienfeste Parteien wie die Grünen und die Linken zum Beispiel in der Russland- oder Europapolitik – alles andere als nebensächliche Themen – auf einen gemeinsamen Nenner kommen wollen. Hier gibt es nicht nur eine Kluft, hier gibt es einen ganzen Abgrund, der die beiden Parteien voneinander trennt.

Was weiter gegen Rot-Rot-Grün spricht? Diese Konstellation wird ausweislich aller Umfragen nicht nur von der großen Bevölkerungsmehrheit abgelehnt, sondern vermag auch in den eigenen Reihen – außerhalb einzelner Gesprächskreise – keine rechte Begeisterung zu entfachen. Vielleicht deswegen, weil man auch links der Mitte ahnt, dass ein solches Bündnis in außenpolitisch unsicheren Zeiten ein doch recht heikles und irgendwie nicht in die Zeit passendes Herumexperimentieren wäre? Zumal ja auch ein gesellschaftlicher Reformauftrag gegenwärtig nicht unbedingt zu erkennen ist.

Ampel? Mehrheit nicht in Sicht

Weiter also. Kanzler werden könnte Gabriel ja theoretisch auch mit einer Ampelkoalition. Hätte das nicht seinen Charme? Hätte es! Doch was sollte politisch eigentlich passieren, dass eine solche Konstellation auch nur in die Nähe einer rechnerischen Mehrheit kommt? Mir fällt wenig ein und deswegen ist der Hinweis darauf, dass eine Liaison zwischen den beiden Lieblingsfeinden FDP und Grünen eine so leichte Sache ohnehin nicht wäre, im Grunde überflüssig. Vielleicht eine Ampel zusammen mit der Linkspartei? Netter Scherz!

Schwarz-Grün? Die Obergrenze!

Aber da gibt es doch noch das Bündnis, das seit 2013 immer wieder herbeigeschrieben wird, das Bündnis zweier Kräfte, die eigentlich – so meinen viele – wie füreinander geschaffen sind, es lange Zeit nur nicht wahrhaben wollten: Schwarz-Grün also. Ist es 2017 endlich so weit – jetzt, wo Özdemir und Göring-Eckardt die Partei in den Wahlkampf führen werden?  Nun ja. Abgesehen davon, dass auch in diesem Fall eine eigene Mehrheit nicht besonders wahrscheinlich ist, drängt sich gegenwärtig der Eindruck auf, als ließen die Betroffenen nichts unversucht, um sich möglichst schnell wieder voneinander zu entfernen. Kann man sich wirklich Seehofer mit den Grünen in einer Regierung vorstellen? Kann man im Grunde schon, aber da war ja noch was mit der Obergrenze. Nicht nur die, aber gerade die schneidet sich wie ein Skalpell in die schwarz-grünen Gedankenspiele. Und wenn die CSU einfach abseits stünde? Das wird a) nicht passieren und würde b) rechnerisch auch gar nicht mehr hinhauen.

Die Grünen stehen unter Zugzwang, das Thema innere Sicherheit kommt ihnen so ungelegen wie ein Magen-Darm-Virus am ersten Urlaubstag. In eine bürgerliche Koalition könnten sie nur dann eintreten, wenn sie mit sich selbst einigermaßen im Reinen sind. Da sich im Augenblick eher das Gegenteil abzeichnet, wird es zu Schwarz-Grün wohl nicht kommen und zu einer Jamaika-Koalition erst recht nicht. Ein Bündnis mit Seehofer und Lindner? Da würde selbst Boris Palmer ins Grübeln kommen.

Schwarz-gelb? Gähn!

Die langweiligste aller Koalitionen abseits der großen wäre ohne Zweifel die schwarz-gelbe. Auch hier dürfte die Summe der Stimmen und Sitze am Ende nicht ausreichen. Und wenn doch – weil es der Union tatsächlich gelingt, über die 40-Prozent-Marke hinüber zu robben? Dann gäbe es eine gerade wiederbeatmete FDP, die Angst haben müsste, erneut in einer Koalition mit Schwarz zum Notfallpatienten zu werden. Immerhin: Nach einer langen Zeit des Sich-Windens und nach-Alternativen-Ausschau-Haltens könnten die Liberalen schließlich einwilligen. Doch es bleibt dabei: Rechnerisch ist eine solche Koalition gegenwärtig nur schwer vorstellbar.

Schwarz-Rot? Nicht ohne Basis!

Also wird es doch zu einer Wiederauflage von Schwarz-Rot kommen, mit Merkel als Kanzlerin und Schulz als Außenminister? Eine Regierung brauchen wir ja schließlich, und so verantwortungsbewusst sind die Parteien hierzulande noch immer gewesen, dass sie sich irgendwann ins Unvermeidliche fügen und Kompromisse eingehen – zumal aus Unionssicht ohnehin nichts gegen eine neue große Koalition spricht. Die Sache hat nur einen Haken. Angenommen die SPD – und vieles deutet darauf hin – wird bei der nächsten Wahl die 25,7 Prozent der letzten Bundestagswahl noch einmal (und womöglich deutlich) unterbieten. Kann man sich wirklich vorstellen, dass ein neuerlicher Koalitionsvertrag mit der Union durch einen SPD-Parteitag oder eine Urabstimmung der Basis gebilligt wird, wo die Partei doch genau weiß, dass sie aus jeder großen Koalition noch einmal geschrumpft hervorgeht, bis sie sich eines nicht so fernen Tages womöglich noch hinter der AfD einreihen muss? Schwer vorstellbar. Es sei denn, Merkel bietet der SPD nicht nur alle Schlüsselministerien an, sondern nach – sagen wir – zwei Jahren gleich auch noch das Kanzleramt.

Was neues? Vielleicht!

Und nun? Eine Minderheitsregierung womöglich? Scheint in Spanien ja irgendwie zu klappen und ist in Skandinavien ohnehin eher Regel als Ausnahme. Aber in Deutschland? Das würde sich Merkel nicht antun. Gabriel schon eher, aber von wem soll er sich dann überhaupt dulden lassen? Von Sahra Wagenknecht? Und will er dann in die Verlegenheit kommen, womöglich mit Stimmen aus der AfD Gesetze zu beschließen?

Wenn nicht alles täuscht, werden die nächsten Sondierungen und Verhandlungen länger dauern, als wir es je erlebt haben. Und am Ende könnte es dann Neuwahlen geben. Das muss nicht weiter schlimm sein. Es wäre nur eine neue Erfahrung. Davon werden wir in den nächsten Jahren aber ohnehin noch so einige machen.

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