Elite – wer ist das eigentlich?

Zeit_frei_11Wer alles zur Elite dazugehört? Nachdem Jens Jessen in der vorletzten Ausgabe der „ZEIT“ (8/2017) den Elitenbegriff als untauglich zurückgewiesen hatte, da diejenigen, die gegen die „Eliten“ wettern, damit doch nur all jene Menschen diffamieren, die eine andere Meinung als sie selbst vertreten, hat nun in der letzten Ausgabe (9/2017) Bernd Stegemann gekontert. Doch, es gibt sie, die Elite, sagt Stegemann. Der „gemeinsame Punkt liegt in ihrer paradoxen Art, wie sie ihre Moral und ihre Interessen kommuniziert. In früheren Zeiten hätte man dieses Paradox Heuchelei genannt, und tatsächlich findet man viele Anklänge daran, wenn man das ‚Wir schaffen das‘ der Kanzlerin oder die moralischen Predigten von Topmanagern, die die Globalisierung zur humanitären Notwendigkeit erklären, betrachtet. Solchen Aussagen ist gemeinsam, dass sie eine doppelte Botschaft vermitteln. Es wird auf der einen Seite eine Moral behauptet, die als universeller Anspruch formuliert wird, und auf der anderen Seite werden hinter diesen moralischen Reden andere, meist ökonomische oder strategische Interessen versteckt.“

Nicht schlecht, das sitzt! Stegemann weiter: „Der Vorwurf gegen die Eliten richtet sich … gegen die Doppelmoral derjenigen, die eine Forderung erheben, für die sie selbst keine Opfer bringen müssen. Professoren, die Willkommenskultur predigen, dafür Anerkennung erhoffen und als Beamte in Eigentumswohnungen leben, sind für alle diejenigen, in deren sozial schwierigem Stadtteil ein Flüchtlingsheim gebaut wird und deren Job im Niedriglohnsektor von der neuen Konkurrenz bedroht ist, Vertreter einer hassenswerten Elite.“ Um jegliche Form der Systemkritik zu vermeiden, so Stegemann, greifen die Eliten „zum Paradox einer postmodernen Moral. Man fordert allgemeine Werte, beklagt dann die Not, sie im eigenen Leben nicht befolgen zu können, und verlangt für diese Ehrlichkeit moralische Anerkennung.“

Na gut, der Vorwurf der Doppelzüngigkeit ist nicht gerade originell, allerdings auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Nur was folgt aus alledem? Die heilige Allianz aus egalitärem Linksliberalismus und kapitalistischen Renditeinteressen ist für Stegemann eine ebenso unumstößliche Tatsache wie die Doppelmoral, die sich hinter Begriffen wie „Willkommenskultur“ und „europäische Solidarität“ verbirgt. Was Stegemann bei den linken Parteien vermisst und ihnen mehrmals aufs Butterbrot schmiert ist die Systemkritik und damit letztlich die soziale Frage. Der Rechtspopulismus? Eigentlich nur ein Missverständnis, dem wohl schon dadurch beizukommen ist, dass die Linke endlich Schluss mit ihrer Liberalismusaffinität macht. Ist es also doch nur die unheilvolle Mischung aus snobistischer Bevormundungskultur und knallharten Renditeinteressen, die die AfD stark gemacht hat? Zweifel sind erlaubt!

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