Donald Trump – keine Entwarnung!

160517-donald_trump-Soll man sich darüber freuen, dass es dem US-Präsidenten möglich war, eine – so wurde sie genannt – versöhnliche Rede im Kongress zu halten? Eine Rede, in der er nicht gegen das Washingtoner System wetterte, sondern insgesamt maßvoll auftrat und tatsächlich ein gutes Wort für die NATO und die westlichen Verbündeten übrig hatte? Ja, in der er sogar darauf verzichtete, seinen Kreuzzug gegen die Presse des Landes fortzuführen? Dürfen wir jetzt also durchatmen, weil er der Würde des Amtes endlich gerecht wurde und so beherrscht auftrat, wie man sich das von Anfang an, also seit dem 20. Januar, gewünscht hätte? Natürlich nicht!

Nur wer Donald Trump für einen kompletten Idioten hält, mag es überraschend und beruhigend finden, dass er eine Rede halten kann, in der er auf die üblichen Attacken verzichtet und sich zur Abwechslung mal an ein Manuskript gebunden fühlt. Beherrscht ist er auch am Inauguration Day aufgetreten; provozierend war damals, was er sagte bzw. nicht sagte, nicht aber sein Redeauftritt an sich. Wenn er sich nicht direkt und unmittelbar angegriffen fühlt, dann kann es auch ihm gelingen, die Worte zu setzen, die er sich zuvor mit seinen Beratern überlegt hat.

Trump kann auch taktisch

Dass er (und seine Berater) aber diesmal gegenüber dem Kongress werbende, fast schon besonnene Worte finden würde, lag auf der Hand. Ohne die beiden Häuser wird Trump seine Agenda nicht umsetzen können. Die Trump-Administration dürfte selbst gemerkt haben, dass ihr aggressiver Diletantismus die Gräben zwischen „Washington“ und dem Weißen Haus in den letzten Wochen noch einmal vertieft hat. Besser also man hält eine Rede, die die republikanischen Abgeordneten – wie geschehen – zu Begeisterungsstürmen hinreißt. Halten wir deshalb fest: Ein Präsident, dessen erklärtes Ziel es ist, die USA von Grund auf zu verändern und der den demokratischen Traditionen und Institutionen des Landes nichts als Verachtung entgegenbringt, hat offenbar mehr im Köcher als nur Wut, Unbeherrschtheit und Clownerie. Er kann sich zusammennehmen und taktisch vorgehen, wenn es notwendig ist. Hinzu kommt: Inhaltlich hat Trump nichts von dem zurückgenommen, was er in den letzten Wochen und Monaten angekündigt hatte. Wenn überhaupt also, dann muss uns seine Rede eher alarmieren, als dass sie uns beruhigen sollte.

NATO? Nur vorerst Ruhe

Aber hat er nicht zumindest seinen Frieden mit der NATO gemacht und endlich erkannt, dass die transatlantische Zusammenarbeit auch für die USA von Vorteil ist? Nun, es stimmt wohl, gegenwärtig scheint Trump sich erst mal damit zufrieden zu geben, den NATO-Mitgliedern eine klare Ansage gemacht zu haben: Ihr müsst mehr zahlen! Konsequenzen für den Fall, dass die Bündnispartner in dieser Hinsicht keine zufriedenstellenden Ergebnisse vorlegen, hat er in jüngster Zeit nicht umrissen. Im Augenblick scheint Trump weder ein größeres Interesse für dieses Thema aufzubringen, noch aber auch den Russen irgendwelche Hoffnungen machen zu wollen, sie könnten von transatlantischen Spannungen in profitieren. Doch abwarten! So unklar ist, welches Spiel Trump mit Russland eigentlich spielen möchte, so klar scheint doch, dass Trump früher oder später einen Payday ausrufen wird. Dann müssen die europäischen NATO-Partner entweder mehr zahlen oder sich am Kampf gegen den IS oder den radikalen Islamismus im Allgemeinen stärker beteiligen, für den es bislang noch keinerlei Strategie gibt. Täuschen wir uns also nicht: Donald Trump wird von seiner Agenda nicht abrücken! Bündnisverpflichtungen will er nur eingehen, wenn für Amerika etwas dabei herausspringt. An den Wert multinationaler Abkommen und Zusammenarbeit glaubt er ebenso wenig wie an den Wert einer freien Presse und offenen Diskussionskultur.

Foto: nbcnews.com

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